Harninkontinenz betrifft gleichermaßen alle Geschlechter, das Risiko steigt mit fortschreitendem Alter. In der Gesellschaft ist die Harninkontinenz immer noch ein Tabuthema. Aus diesem Grund verheimlichen viele betroffene Menschen ihre Inkontinenz und holen sich keine professionelle Unterstützung (Vgl. DNQP 2014).
Definition
Ein unwillkürlicher Harnverlust wird als Harninkontinenz bezeichnet (Vgl. Abrams et al. 2002).
Ziel
„Bei jedem Patienten/Bewohner wird die Harnkontinenz erhalten oder gefördert. Identifizierte Harninkontinenz wird beseitigt, weitestgehend reduziert bzw. kompensiert.“ (DNQP 2014, S. 19)
- Erkennung und Analyse von Kontinenzproblemen
- Durch gezielte Maßnahmen Harninkontinenz sowie Folgeschäden reduzieren
- Verhinderung von sozialem Rückzug, steigendem Pflegebedarf sowie abfallender Lebensqualität
- Bewohner/Patienten beraten, ggf. auch die Angehörigen einbeziehen
- Unterstützung durch einheitliches wissenschaftliches und fundiertes Wissen der Pflegekräfte, der Pflegeeinrichtung sowie aller Gesundheitseinrichtungen
Mögliche Risiken bei Harnkontinenz
- Sozialer Rückzug
- Hautschädigung (Intertrigo)
- Allergische Reaktion auf Inkontinenzmaterial
Anwender dieses Expertenstandards
- Altenpfleger
- Gesundheits- und Krankenpfleger
- Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger
- alle, die einen pflegebezogenen Studiengang absolviert haben
Risikofaktoren, die eine Harninkontinenz begünstigen
in Anlehnung an DNQP 2014
Ablauf
Analyse
Die zuständige Fachkraft ermittelt in der Anamnese mögliche Risikofaktoren sowie Anzeichen für eine Harninkontinenz. Damit der Patient/Klient/Bewohner sich zu diesem sensiblen Thema öffnet, schafft die Pflegekraft eine ruhige und private Atmosphäre. Zudem ist eine diskrete Beobachtung der zu pflegenden Person, hinsichtlich möglicher Hinweise auf Harninkontinenz, unerlässlich.
Mögliche Hinweise sind:
- Verstecken von Schmutzwäsche
- Hautbildveränderung im Intimbereich
- Auffällige Gerüche
Einer besonderen Behutsamkeit bedarf der Umgang mit Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt haben. Um eine Retraumatisierung zu vermeiden, benötigt die Pflegekraft viel Empathie und Achtsamkeit. Zusätzlich sollte eine ärztliche Anamnese erfolgen. Diese dient u.a. der Restharnbestimmung und einem Ausschluss von Infektionen in Blase, Harnleiter sowie Niere. Auch andere relevante Erkrankungen können ausgeschlossen werden.
Nach Feststellung einer Harninkontinenz erfolgt eine genaue Einschätzung des Kontinenzprofils. Dazu können folgende Instrumente angewandt werden:
- Miktionsprotokoll (Selbst- und Fremdeinschätzung)
- Patienten-/Klienten-/Bewohnerbezogene Erhebungsbögen des DNQP
Planung
Nachdem eine Harninkontinenz festgestellt und ein entsprechendes Kontinenzprofil erstellt wurden, erfolgt das Gespräch mit der zu pflegenden Person und den Angehörigen. Die Pflegefachkraft klärt den Patienten/Klienten/Bewohner über mögliche Risikofaktoren auf. Anschließend plant die Pflegefachkraft gemeinsam mit der zu pflegenden Person mögliche Maßnahmen zur Förderung der Harnkontinenz. Bei Bedarf werden die Angehörigen in die Maßnahmenplanung integriert und entsprechend geschult.
Durchführung
Alle beteiligten Berufsgruppen sind über die Maßnahmenplanung informiert und gestalten diese ggf. mit.
Mögliche Maßnahmen:
- Toilettentraining
- Blasentraining
- Inkontinenzmaterial
- Beckenbodentraining
- Ein- und Ausfuhrprotokoll
- Anpassung der Räumlichkeit, z.B. Toilettensitzerhöhung
- An- und Auskleiden trainieren bei Hemiplegie oder kognitiven Störungen
- Intermittierende Katheterisierungen der Harnblase
Evaluation
- Evaluation der ergriffenen Maßnahmen
- Beobachtung gesundheitlicher Veränderung bzw. Veränderung der Räumlichkeiten
in Anlehnung an DNQP 2014
Dokumentation
- Kontinenzprofil
- Aufklärungsgespräche
- Pflegeplanung
- Informationsbroschüre "Inkontinenz"
- Miktionsprotokoll
- Trinkprotokoll
Quelle
Abrams, P.; Cardozo, L.; Fall, M.; Griffiths, D.; Rosier, P.; Ulmsten, U.; van Kerrebroeck, P.; Victor, A.; Wein, A. (2002): The standardisation of terminology of lower urinary tract function: report from the Standardisation Sub-committee of the International Continence Society. Neurourol Urodyn 21(2): 167-78.
Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) (Hrsg.) (2014): Expertenstandard Förderung der Harnkontinenz in der Pflege – 1. Aktualisierung 2014. Schriftreihe des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege. DNQP: Osnabrück
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